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Heilsame Handlungen im Bereich der Sittlichkeit lassen sich mit dem Wort "Freigiebigkeit" zusammenfassen. Die Lehren des Buddha führen uns weg von einer ichbezogenen Sichtweise. Nicht nur die Meditation vermindert die Ichbezogenheit, sondern dies ist auch der Sinn von Dāna (Freigiebigkeit) und Sīla (Sittlichkeit) oder rechtem Verhalten (Caraṇa). Das Einhalten der fünf sittlichen Gebote, wie es buddhistische Laien tun, setzt einen Prozess in Gang, sich von einer egoistischen Lebenshaltung zu lösen und stattdessen die Belange aller fühlender Wesen zu berücksichtigen.
Wir könnten sagen, dass jeder Akt des Gebens, der Freigiebigkeit, rechtes Verhalten ist, da dieser von der Ichbezogenheit wegführt, während jeder Akt des Nehmens das Anhaften am Selbst stärkt. Wenn man die fünf sittlichen Gebote einhält, kommt dies einem selbst zugute, indem man Handlungen vermeidet, die einem später Leid bringen. Gleichzeitig nützt man anderen, indem man sie vor unserem Zorn, unserer Gier und unserer Verblendung bewahrt. Freigiebigkeit schließt nicht nur das Geben materieller Objekte ein, sondern auch das Geben in der Form von Leistungen aller Art, die anderen zugutekommen.
Vipassanā führt zu einem Zustand von reinem und vollkommenem Sīla: der Sotāpanna, ein Mensch, der den Geschmack von Nibbāna gekostet hat, bricht keines der fünf sittlichen Gebote, weil die in ihm vorhandenen Verunreinigungen durch Gier, Hass und Verblendung stark vermindert sind. Der erste Präsident von Burma, Saw Shwe Taik, sagte, dieser neue Zustand, den er durch seine Meditation erreicht hatte, sei wunderbar, und dass "keine Anstrengung mehr nötig sei, das [Brechen von Sīla] zu vermeiden".
Dāna und Sīla unterstützen ebenfalls die Meditation, indem sie uns dazu bringen, unheilsame Handlungen zu vermeiden, die für uns und unsere Umgebung schädliche Folgen haben. Sie bringen uns dazu, geschickte Handlungen auszuführen, die gute Ergebnisse wie langes Leben, Gesundheit und materielle Unabhängigkeit nach sich ziehen, welche allesamt die Meditation unterstützen.
Selbst wenn wir in erster Linie an weltlichem Glück interessiert sind, ist es gut, sich um die Entwicklung dieser beiden Vervollkommnungen zu bemühen. Wenn der Buddha eine Lehrrede hielt, war deren Inhalt abgestuft. Er pflegte mit der ersten der Pāramīs (Vervollkommnungen), der Freigiebigkeit, zu beginnen. Wie eingangs erwähnt, liegt dies daran, dass wir heilsame Handlungen im Bereich der Sittlichkeit mit dem Wort ‘Freigiebigkeit‘ zusammenfassen können. Und es ist die Freigiebigkeit, die zur Wiedergeburt in den höheren Daseinsebenen führt. Auf diese Weise begann der Buddha damit, die Menschen in Freigiebigkeit zu unterweisen und zu festigen. Ohne diese Grundlage ist es nicht möglich voranzukommen.
Als nächstes lehrte der Buddha seine Zuhörer Sittlichkeit, denn der Geist ist geschmeidiger, wenn wir freigiebig sind. Wir sind eher bereit, die Weisheit des Vermeidens falscher Handlungen zu verstehen und rechte Handlungen zu kultivieren.
Dann unterwies der Buddha seine Zuhörer in den vier göttlichen Verweilzuständen. Wenn er sah, dass das Potenzial vorhanden war, lehrte er die Meditation, die zu Ruhe des Geistes (Samādhi) und zu Einsicht (Paññā) führt. Aus diesem Grund unterweisen Mönche Laienschüler in buddhistischen Ländern in Dāna (Freigiebigkeit), Sīla (Sittlichkeit) und Bhāvanā (Meditation). Sīla führt zu langem Leben, Dāna führt zu materiellem Gewinn. Daraus lässt sich schliessen, dass Dāna im Kreislauf der Existenzen eine wichtige Rolle spielen kann. Denn wir können nur meditieren, wenn unsere körperlichen Bedürfnisse materiell sichergestellt sind. Wir können nicht meditieren, wenn der Unterhalt unseres Körpers die gesamte Zeit und Energie verschlingt, die uns zur Verfügung steht.
Die Rede, die der Buddha den Dorfbewohnern von Veḷudvāra hielt, veranschaulicht, wie er seine Unterweisungen den Zuhörern anpasste. Sie kann "Die Lehrrede über den Dhamma-Weg des Sich-Vergleichens mit anderen" genannt werden. Die Dorfbewohner erzählten dem Buddha, dass sie in diesem Leben viele Kinder und angenehme Dinge wie Parfüm, Blumen, Gold und Silber haben wollten; nach dem Tod wollten sie in den Deva-Welten wiedergeboren werden. Wie könnten sie dies erreichen?
Der Buddha sagte ihnen nicht, sie sollten solche vergänglichen Vergnügungen nicht begehren. Er wusste, dass die Menschen von ihrem Eigeninteresse geleitet sind, und dass es keinen Zweck hat, jemandem zu sagen, seine Handlungen sollen vollkommen uneigennützig sein. Dies ist unmöglich, bevor man ein Arahat wird.
Also lehrte er sie, sich mit anderen zu vergleichen. Er sagte ihnen, sie sollten auf folgende Art und Weise nachdenken: "Ich will leben. Ich will nicht sterben. Ich mag Vergnügungen und verabscheue Schmerz und Leid. Wenn mich jemand jetzt töten würde, wäre das für mich nicht erfreulich und angenehm. Wenn ich jemand anderen töte, wird es für ihn nicht erfreulich und angenehm sein. Ein Zustand, der für mich nicht angenehm ist, ist auch für andere nicht angenehm, wie kann ich also anderen etwas aufzwingen, das für mich nicht angenehm und beglückend ist?"
In gleicher Weise sollte man Stehlen, sexuelles Fehlverhalten, Lügen, die unser Glück zerstören, sowie Streit zwischen Freunden verursachen können, harsche Worte, törichtes und nutzloses Gerede bedenken. Wer erkennt, dass solche Handlungen unangenehm sind, wird sie meiden, andere ermutigen, sie zu meiden, und wird lobend über den Verzicht auf solch unsittliches Verhalten sprechen.
Der Buddha beendet seine Rede an die Dorfbewohner von Veḷudvāra mit den Worten, dass sie durch Sittlichkeit Ruhe des Geistes erlangen können, was zur Erlangung der ersten Stufe des Erwachens führt. Und für jemanden, der in der ersten Stufe des Erwachens etabliert ist, gibt es keine Wiedergeburt in den unteren Welten.
* Bhikkhu Bodhi, Connected Discourses (Pali Text Society, 2000), S. 1796-99.